Zusammenfassung
Ein Vergleich zwischen der Flugzeit des Balles bei Würfen aus der Nah- und Mitteldistanz und dem Zeitbedarf für Informationsaufnahme, Entscheidungsfindung und den motorischen Teil der Abwehrbewegung zeigt, dass der Torwart nur dann erfolgreich sein kann, wenn er seine Abwehrhandlung noch vor der Vollendung der Wurfbewegung des Angreifers vorbereiten und einleiten kann. Dies ist durch die Antizipation der künftigen Ballflugrichtung aufgrund von Merkmalskonstellationen in der Wurfbewegung möglich, die für den Torhüter bei entsprechender Beobachtungserfahrung Signalcharakter haben. Ein grundlegendes Problem für die trainingspraktische Vermittlung von situationsspezifischen Wahrnehmungsstrategien stellt die Tatsache dar, dass es kaum wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse darüber gibt, anhand welcher konkreter Bewegungsmerkmale eine frühzeitige Bestimmung der Wurfrichtung erfolgen kann. Das Vermitteln gezielter Wahrnehmungsstrategien für das Suchen von solchen „Signalen“ könnte das praktische Wahrnehmungstraining kognitiv unterstützen, die Leistungsentwicklung beschleunigen helfen und damit eine Vorverlegung des Höchstleistungsalters ermöglichen. Anhand einer kinematischen Analyse von Sprungwürfen von der zentralen Rückraumposition wurde deshalb im vorliegenden Projekt versucht, den Entscheidungszeitraum festzustellen sowie mögliche antizipationsrelevante Merkmale der Wurfbewegung aus der Sicht des Torhüters herauszuarbeiten. Für die Untersuchung des Entscheidungszeitpunkts wurden mit zwei synchronisierten Kameras (PEAK-System) Werfer- und Torwartbewegungen aufgenommen und zueinander in Beziehung gesetzt. Es zeigte sich, dass bei ca. 75% der beobachteten Sprungwürfe antizipatorisches Abwehrverhalten der Torleute vorlag und dass der Zeitpunkt für die Antizipation der Wurfrichtung zwischen dem Umkehrpunkt der Wurfbewegung und jenem Zeitpunkt liegen dürfte, an dem der Ball und die Wurfhand die Kopfebene des Werfers passiert haben. Für die Hauptuntersuchung (3D-Bewegungsanalyse von Sprungwürfen) wurde das höherfrequentige MOTION-ANALYSIS-System (180 Hz) verwendet. 5 Handballer der nationalen Spitzenklasse vollführten je 30 maximal scharfe Würfe auf zwei 30 cm breite Treffzonen neben den beiden Torpfosten. Die Würfe wurden mit zwei synchronisierten Kameras abgefilmt, im Labor manuell digitalisiert und weiterbearbeitet. Es wurden 11 Hypothesen geprüft, die nach Analyse der Fachliteratur und Auswertung einer Befragung von 19 Spitzentorleuten formuliert werden konnten. Als in unterschiedlichen Phasen der Wurfbewegung relevant erwiesen sich schließlich die Bewegungsrichtung des Balles und der Wurfhand in der letzten Wurfphase, die Winkelstellung von Hüft- und Schulterachse zur Torebene (Verdrehung von Hüfte und Oberkörper um die Längenachse), der Abstand zwischen Ball und Körperlängenachse (Führung des Balles weit seitlich oder nahe am Körper) sowie die für den Torwart sichtbare relative Schulterbreite.
Abstract
When comparing the flight time of the ball during short and medium distance shots in handball and the time the goal keeper needs for the information intake, the processing and the motor response it gets clear that he only can be successful in his defensive task when he is able to select and program his motor response before the throwing movement is finished and the ball leaves the hand of the attacking player. Such a behaviour is made possible by the anticipation of the future flight direction of the ball, using signal constellations in the throwing movement for the prediction (based on the keeper´s shot-specific experience). A basic problem for teaching such specific information intake strategies is the lack of scientific research on such movement parameters allowing a prediction of the shot direction. However, cognitive knowledge about specific signal constellations could help to accelerate the performance acquisition of keepers and to reduce the top performance age, which is rather high for keepers in comparison to other players in handball. Therefore in this project it was tried to determine the timespan of information intake and to detect some typical movement patterns of jump shots useful for the anticipation task of the goal keeper by a kinematic analysis of shots from the center position. For discerning the marges of decision making two cameras (PEAK-System) were used for synchronised registration of shot movements and the according initialisation of the goalkeeper´s movement. In 75% of the observed cases the analysis showed an anticipatory behaviour of the keepers. The time for signal detection was estimated between the turnover of the draw back movement and the moment when the ball laterally passes the head of the throwing player. For the following 3D-analysis of jump shots a MOTION-ANALYSIS-System with a registration frequency of 180 Hz was used. 5 players of the national top class executed 30 jump shots to each of two 30 cm wide target zones next to the two goalposts. The shots were filmed with two synchronised cameras from different angles and manually digitized and elaborated in the laboratory. On the basis of the obtained data 11 hypothesis (defined after a literary research, interviews with 23 goalkeepers and the author´s personal experience) were statistically tested. The results suggest possible relevance of the following elements for an early decision of the goalkeeper: the direction of the system hand - ball during the final part of the shot; the angles of the hip and of the shoulder axis; the width of shoulders visible to the keeper; and the lateral distance of the ball to the trunk early in the shooting movement.
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